Mehrfarbiges Vinyl

buntes Plastikgranulat in Gefäßen aus Plastik vor weißem Hintergrund

Neben der künstlerischen Kreativität stellen die als Multicolour Vinyl bezeichneten Platten an die Hersteller handfeste technologische und materialphysikalische Anforderungen, deren Möglichkeiten bei näherer Betrachtung nicht grenzenlos sind. Erinnern wir uns zunächst an das Grundprinzip der Plattenpressung: Als Granulat vorliegendes Rohmaterial wird in einem Extruder auf ungefähr 130 Grad erhitzt und ordentlich „durchgewalkt“ – ganz so wie in einer Küchenmaschine zum Teigkneten. Am Ende dieses Prozesses entsteht ein Kloß, der zwischen die beiden Presswerkzeuge für A- und B-Seite geführt wird und mit den beiden Etiketten zusammen unter etwa 100 Tonnen Druck zur Platte gepresst wird. Das Granulat wird bereits in entsprechenden Farben angeliefert oder in den Presswerken mit Hilfe von Pigmentpulver entsprechend eingefärbt. 

Möchte man nun verschiedene Farben kombinieren, ist Handarbeit gefragt, je nachdem, welchen Effekt man erreichen möchte. Handelt es sich etwa um ein Vinyl mit Splatter-Effekt, fertigt man einen Kloß in der Grundfarbe, der dann kurz vor dem Pressvorgang mit Partikeln einer oder mehrerer anderer Farben „paniert“ wird. Beim Pressvorgang schießen dann diese Partikel von innen nach außen und ergeben einen explosionsartigen Effekt. Je nach Größe und Menge dieser Partikel ist das Ergebnis eine bestimmte Musterung, bei sehr kleinen Partikeln etwa eine ausfransende Fläche. Größere Partikel können dicke Streifen, radiale Schlieren oder Flecken ergeben. Die Partikel selbst gewinnen die Presswerke durch das Schreddern oder Mahlen eigener Abfälle. Die Größe wird durch den Mahlgrad bestimmt. 

Bei sogenannten Inkspot- oder Colour-Spot-Mustern arbeitet man mit mehreren Extrudern, aus denen als Basis kleinere Klöße gewonnen werden, um die dann Würste oder Ringe einer anderen Farbe gelegt werden. Beim Pressen ergibt sich eine Ringstruktur, die je nach Farbe zu mehr oder weniger starken Verwaschungen an den Übergängen führt. Interessant sind hier Kombinationen einer gedeckten Farbe in der Mitte und Ringe aus klarem Vinyl, weil diese beiden Materialien scharfe Übergänge liefern, die dann wie ein Eigelb oder ein farbiger Tropfen in Wasser aussehen können. Kombiniert man zwei gedeckte Farben miteinander, kann man wiederum den Effekt steigern, indem der Ring nicht um, sondern auf einen etwas größeren, aber flacheren Kloß gelegt wird. Das Muster wird dann auf den beiden Seiten der Platte unterschiedlich aussehen, und man erhält Platten, die je nach Presswerk zum Beispiel als A/B-Split oder auch Corona-Vinyl – nach dem farbigen Kranz, den sie einseitig am Außenrand ausbilden – bezeichnet werden. Platten mit Split-Optik werden durch zwei oder mehrere gleich große Klöße hergestellt, die in der Pressmaschine nebeneinander platziert sind. Propeller- oder Cornetto-Effekte erzielt man durch einen Basis-Kloß, über den entlang des Durchmessers Würste einer oder mehrerer anderer Farben über Kreuz gelegt werden. 

Natürlich sind alle diese Effekte kombinierbar und können auch Basis von Experimenten sein. Die Limitierung der Möglichkeiten ergibt sich aus der Technologie selbst: Beim Pressen schießt die Masse immer vom Zentrum nach außen, mehr oder weniger unkontrolliert. Ein Muster wird also immer eine entsprechende Dynamik aufweisen und jede Platte ein Unikat sein. Die Farben selbst mischen sich nicht wie Knete oder Teig, wie man vielleicht vermuten könnte, auch wenn die Klöße beim Einlegen in die Maschine durchaus eine solche Konsistenz aufweisen. Durch den hohen Druck und die Temperatur wird die Masse beim Pressen flüssig und verhält sich auch wie eine Flüssigkeit. Es kommt also zu Mischungen der Farben, die je nach Farbtemperatur wieder neue Farben ergeben und dabei keine trennscharfen Übergänge erlauben. Bei den eben beschriebenen Effekten sind diese Vermischungen noch limitiert, da die Farben tatsächlich erst in der Pressmaschine „verheiratet“ werden. Diese Platten werden von Hand auf sogenannten Handpressen gefertigt und sind daher aufwendig und teuer. 

Ein Sonderfall sind marmorierte Platten, auch Marbled Vinyl genannt. Hierbei erfolgt die Mischung der Farben bereits im Extruder. Es wird Granulat verschiedener Farben eingefüllt und dann vermischt und gepresst – auf automatischen Pressen. Die Möglichkeiten eine sichtbare Marmorierung zu erreichen, sind hier durch die Verflüssigung stark begrenzt. Zur Veranschaulichung kann man sich das so vorstellen: Tauche ich etwa einen mit Tomatensaft benetzten Pinsel in ein Glas Milch, werden sich einige subtile Schlieren bilden, die Flüssigkeit aber auch relativ schnell zu einem Rosa durchfärben. Ein Tropfen Grüner Tee in Orangensaft wird keinen Effekt ausbilden – die beiden Farbtemperaturen sind sich einfach zu ähnlich. Grundsätzlich wird eine marmorierte Platte also immer eine Mischung aus zwei Farben mit entsprechend dunklen Schlieren dieser Mischfarbe sein. Möchte man eine rosafarbene Platte marmorieren, wird man also nicht Rosa als Grundfarbe wählen, sondern die zu erwartende Mischung einberechnen und Rot und Weiß mischen. Grün und Rot ergeben eine braune Platte mit entsprechend dunkelbrauner Marmorierung in einem helleren Grundton. Den deutlichsten Effekt wird man immer zwischen einer sehr hellen, möglichst transparenten und einer dunklen, gedeckten Farbe erreichen: schwarzer Pinsel in klares Wasser oder Gemüsebrühe zum Beispiel.