Der Anspruch und damit die Anforderungen an die Plattentellerauflage sind so komplex wie die Physik dahinter. Deshalb soll es hier auch nicht um eine Empfehlung gehen, sondern um die Frage, was da überhaupt passiert. Dass es handwerkliche Erfordernisse an eine solche Auflage geben kann, etwa die unabdingbare Voraussetzung für DJs, zum Scratchen eine leichtgängige Filzmatte einzusetzen, klammern wir ebenfalls aus. Unser Thema sind Schwingungen und ihre Ausbreitung als Wellen, denen ein Plattenspieler ausgesetzt ist und die das Abtastverhalten beeinflussen. Da sind zum einen die Schwingungen „von außen“, die zunächst nichts mit der Abtastung der Klanginformation zu tun haben: Schwingungen des Gebäudes oder des Plattenspielers selbst, die etwa durch den Antriebsmotor oder die Drehbewegung des Tellers ausgelöst werden.
Die zweite Quelle von Schwingungen ist der Abtastvorgang selbst: Die Abtastung der Platte erfolgt mit Geschwindigkeiten von bis zu 40 kHz. Das heißt: 40.000 Abtastvorgänge pro Sekunde! Dabei erreicht der winzige Tonabnehmer Beschleunigungen von bis zu 250 Gramm. Das ist beeindruckend: Mit bis zu 250-facher Erdbeschleunigung drischt die Nadel also auf die Platte ein. Davon abgesehen, dass dabei immense Reibungskräfte wirken, die wiederum zu Abnutzung, Erhitzung und statischer Aufladung der Vinyl-Oberfläche führen (vor allem bei falscher Einstellung des Auflagegewichts), versetzen diese Bewegungen die Schallplatte selbst in Schwingung. Die Platte gibt die Schwingung weiter an die Auflage und von da weiter über Gerät, Tisch bis ins Gebäude. Man kann das leicht überprüfen, indem man mit einem Stethoskop den Boden abhört.
Nun bleibt es nicht dabei, dass die Schwingungen als Wellen einfach nur weitergegeben werden (an den Übergangsstellen zwischen unterschiedlichen Materialien verändern sich die Wellen) – es kommt zu Reflexion, Absorption und Streuung. Der Plattentellerauflage kommt hier also eine besondere Bedeutung zu, weil sie das der Platte am nächsten gelegene Medium ist und somit direkt von ihr angeregt wird oder beim Zurücklaufen von Wellen die letzte Möglichkeit ist, unerwünschte Schwingungen zu absorbieren oder abzuleiten. Denn durch Brechung und Reflexion herrscht in ihr ein Chaos aus Schwingungen verschiedenster Frequenzen und Geschwindigkeiten, die auf die Platte übertragen und gleich mit abgetastet werden – die Platte wird selbst zum Lautsprecher. Im Zusammenspiel mit den aufgezeichneten Informationen in der Rille kommt es nun physikalisch zu Interferenzen und Resonanzen: Bereiche, wo sich Wellen überlagern und sich dabei auslöschen oder verstärken. Die ursprünglich aufgezeichnete Information wird verfälscht.
Das kann das Hörerlebnis trüben, muss es aber nicht. Denn das menschliche Ohr und die menschliche Psyche empfinden den physikalisch reinen Klang nicht grundsätzlich als angenehm – man denke an den hölzernen Klangkörper einer Gitarre, deren Saiten diesen Körper anregen und eben dadurch erst einen bestimmten Klang entstehen lassen. Und genau deshalb kann eine Plattentellerauflage, die bestimmte Frequenzen verstärkt oder andere abschwächt, auch eine gute Wahl sein. Der klangliche Effekt der Auflage hängt hier von zwei Faktoren ab, die durch das Material bestimmt werden: Schallgeschwindigkeit und Laufrichtung – Erstere richtet sich nach Dichte und Elastizität und Letztere danach, wie Bereiche unterschiedlicher Dichte und Elastizität in einem Material zusammenwirken. So haben etwa Filz, Leder oder Kork eine niedrigere Schallgeschwindigkeit als Vinyl und absorbieren stärker. Das Ergebnis ist eine Bedämpfung.
Dem gegenüber stehen Materialien, die ein ähnliches Schwingungsverhalten haben wie Vinyl oder sogar eine höhere Schallgeschwindigkeit und daher wenig bis gar nicht absorbieren oder brechen – hier ist besonders Acryl beliebt. Holz als Sonderfall leitet Wellen je nach Faserrichtung in unterschiedliche Richtungen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ab – so kann die Geschwindigkeit längs der Faser höher, quer zur Faser aber niedriger sein als die von Vinyl. Metall oder Keramik kommt gerne als Ring zum Einsatz – bei reinem Messing etwa werden Höhen und Hochmitten verstärkt, was den Klang bei Aufnahmen wie Jazz lebendiger machen kann, bei Klassik und percussion-lastiger Musik aber zu Grausen führen würde. Im Hochpreis-Segment versucht man daher, verschiedene Materialien in Sandwich-Bauweise zu verbinden. Schichten von Kupfer, Holz und Acryl haben sich hier bewährt. Man kann aber auch selbst verschiedene Auflagen übereinanderschichten.
Die Effekte unterschiedlicher Auflagen können also ebenso gewünscht wie ungewünscht sein – abhängig vom Gesamtaufbau des Systems und natürlich von persönlichen Wünschen der Klangreproduktion. Die eine Matte kann es also nicht geben. Die Anschaffung verschiedener Auflagen hat zumindest theoretisch Sinn, genauso wie ein Gitarrist je nach Musik unterschiedliche Saiten aufzieht oder Instrumente aus verschiedenen Hölzern gefertigt werden. So oder so: Bei der Verwendung von Matten unterschiedlicher Dicke muss die Tonarmhöhe beachtet werden, weil man sich sonst Auflagewinkelfehler einhandelt, die viel stärker den Klang verändern, als es eine Matte könnte. Ansonsten gilt auch hier: Die graue Theorie hechelt der Praxis des Probierens hinterher.